Anwendung von Jugendstrafrecht

Kinder und Jugendliche

§ 19 Strafgesetzbuch (StGB) geht unwiderlegbar davon aus, dass Kindern die Fähigkeit fehlt, das Unrecht einer Straftat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Sie sind deshalb schuldunfähig und können keine Straftaten begehen. Das ändert sich erst, wenn die Kindheit am vierzehnten Geburtstag endet.

Wer vierzehn Jahre alt wird, ist Jugendlicher – nicht mehr Kind aber noch nicht erwachsen. Jugendliche befinden sich in der Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen. In der Entwicklungsphase des Erwachsenwerdens erkundet der Jugendliche die eigenen Grenzen und solche, die die Eltern oder andere Autoritäten vorgeben. Gelegentlich überschreiten Jugendlich diese Grenzen und es kommt zu Straftaten.

Um den Straftaten Jugendlicher angemessen zu begegnen, hat der Gesetzgeber das Jugendstrafrecht geschaffen. Anders als das Erwachsenenstrafrecht, ist es vom Erziehungsgedanken geprägt. Die Reaktion der Gerichte auf strafbares Verhalten von Jugendlichen soll sie erzieherisch von weiteren Straftaten abhalten.

Jugendliche und Heranwachsende

Gerichte müssen das Jugendstrafrecht und damit das Jugendgerichtsgesetz (JGG) uneingeschränkt auf alle Personen anwenden, die zwischen 14 und 18 Jahren alt sind.

Wer zwischen 18 und 21 Jahren alt ist, gilt nach dem Jugendgerichtsgesetz als Heranwachsender. Auf Heranwachsende wird das Jugendstrafrecht nur angewendet, wenn der Täter bei Begehung der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung einem Jugendlichen gleichstand (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) oder es sich nach Art, Umständen und Beweggründen der Tat um eine jugendliche Verfehlung handelt. Ist dies nicht der Fall, muss das Gericht nach Erwachsenenstrafrecht verurteilen.

Anwendung von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende

Begeht ein Heranwachsender eine Straftat, stellt sich für das Gericht also immer die Frage, ob es noch Jugendstrafrecht oder schon Erwachsenenstrafrecht anwenden soll. Um diese Frage zu beantworten, muss sich das Gericht einen Eindruck vom Entwicklungsstand und der Persönlichkeit des Heranwachsenden machen. Dabei ist neben dem Alter auch die soziale Entwicklung des Heranwachsenden zu berücksichtigen. Das Gericht wird dabei von der Jugendgerichtshilfe unterstützt.

Unterschiede bei der Anwendung von Jugendstrafrecht gegenüber Erwachsenenstrafrecht

Die Rechtsfolgen, die Straftaten von Erwachsenen nach sich ziehen, sind in den einzelnen Strafnormen geregelt. Sie reichen von Geldstrafen bis Freiheitsstrafen.

Für Jugendliche gelten dieselben Voraussetzungen, nach denen ein Verhalten strafbar ist, nicht aber dieselben Rechtsfolgen. Weil das Jugendstrafrecht vom Erziehungsgedanken geprägt ist, den Angeklagten erzieherisch leiten will, stehen dem Gericht im Jugendstrafrecht mehr Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung:

  • Erziehungsmaßregeln: Weisungen, § 10 JGG, wie die Erbringung von Arbeitsleistungen, oder ein Täter-Opfer-Ausgleich und Hilfen zur Erziehung, § 12 JGG
  • Zuchtmittel: Verwarnung, § 14 JGG, die Erteilung von Auflagen, § 15 JGG und Jugendarrest, § 16 JGG
  • Jugendstrafe: §§ 17ff. JGG, mindestens für 6 Monate und höchstens 5 Jahre (bei Verbrechen, die im StGB mit mindestens 10 Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, kann auch eine Jugendstrafe bis zu 10 Jahren verhangen werden)

Eine Geldstrafe gibt es im Jugendstrafrecht nicht.

Die Bandbreite der Sanktionen ist im Jugendstrafrecht deutlich größer als im Erwachsenenstrafrecht. Der engagierte Strafverteidiger wird daher bei Heranwachsenden immer versuchen, zu erreichen, dass das Gericht Jugendstrafrecht anwendet.